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Nachruf auf Dieter Stollenwerk

*28. Juni 1938 †3. Februar 2023

von Peter-Wolfgang Klammer

Es war die Zeit des großen Aufbruchs. Rudi Müller (später: Prof. Müller-Poland) hatte den Senator für Schulwesen dazu bewogen, das Fach Theater in den Fächerkanon der Gymnasialen Oberstufe (Klassen 12 und 13) aufzunehmen. Gegen die Konkurrenz der beiden anderen künstlerischen Fächer Musik und Kunst wollte man noch bescheiden auftreten und nannte das neue Fach „Darstellendes Spiel“. Dieses wurde dann auch noch eine ganze Weile in der Erprobungsphase gehalten; die Kursleiter:innen mussten vorher Anträge auf Genehmigung stellen und hinterher Berichte bei der Senatsverwaltung einreichen.

Dieter Stollenwerk war von Anfang an dabei. Er hat alle Windungen mitgemacht, alle Erfolge miterlebt, und als Rudi Müller 1984 die Oberleitung hinlegte, war es klar, dass Dieter praktisch die Leitung übernahm. Er blieb Sprecher des „Arbeitskreises Darstellendes Spiel Berlin“ bis 2000, kurz vor seiner Pensionierung. Es gelangen ihm zwei Dinge von großer Bedeutung und bleibendem Wert: Die jährlichen Herbstfachtagungen und das ebenfalls jährlich stattfindende „arbeitstreffen SCHULTHEATER berlin“, bei dem sich viele Theatergruppen aus Berliner Schulen an einem bestimmten Ort trafen, um sich gegenseitig sowie anderen interessierten Zuschauern ihre Arbeitsergebnisse aus dem letzten bzw. laufenden Schuljahr zu präsentieren. Dieses „Arbeitstreffen“ ist das Juwel des Berliner Schultheaters, es feiert in diesem Jahr sein 40. Jubiläum. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Stolli von Pontius zu Pilatus lief, vom Bezirksamt Tempelhof (diverse Abteilungen) zur Senatsverwaltung, sich über die Vorzimmer langsam zu den Schulräten vorarbeitete, um die finanziellen Mittel zu bekommen, die er brauchte, um die Aula der Luise-Henriette-Schule in einen fast professionellen Theatersaal zu verwandeln. Das ging bis hin zu einer Regiebrücke im vorderen Teil der Aula, die allen modernen technischen Anforderungen entsprach. Ein sehr wohlwollender Schulleiter stärkte ihm den Rücken. Über 30 Jahre lang kamen die Gruppen zum „Arbeitstreffen“ in die „Luise“, beides gehörte zusammen.

Das neue Fach brauchte natürlich auch eine Ausbildung. Es sollte sich ja nicht nur von der bisherigen Art des Schultheaters abheben, sondern musste – und wollte – sich einem strengen Lehrplan mit nachprüfbaren Kriterien stellen. D.S. (schön das Spiel mit seinen Initialen!) nahm erst an mehreren, von Rudi Müller geleiteten Weiterbildungskursen teil, übernahm aber schließlich die Weiterbildung der Berliner Kollegen:innen. Vor allem sorgte er dafür, dass die Ausbildung in schulischen, in Lehrerhänden blieb und nicht in einer außerschulischen Institution verschwand. Sein Leitsatz war: Lehrer:innen wissen, wie Unterrichten geht, jetzt brauchen sie noch Handwerk für das neue Fach.

Und dann wurde Dieter noch die Fachaufsicht in der Senatsverwaltung, d.h. eine Zeitlang war das Fach Darstellendes Spiel in Berlin in einer Hand und Dieter Stollenwerk war sein Gesicht.

Es war eine aufregende Zeit, damals „unter“ Dieter Stollenwerk, voller Einsatzfreude, Neugier, Enthusiasmus. Wir eroberten uns eine neue Welt: die Theaterwelt. Und ganz banal, aber ungemein befriedigend: Vor jedem Arbeitstreffen turnten wir beide, Stolli und ich, in der leeren Aula herum und putzten die Scheinwerfer. Mach’s gut, mein Lieber!

Nachruf Dieter Stollenwerk